Blog1 zur FIU vom 16.01.2023

von Achim Diergarten

 

Am 12.01.2023 wurde eine Antwort der Bundesregierung zu 41 Fragen der Fraktion „DIE LINKE“ zur Financial Intelligence Unit (FIU) zu der Bundestagsdrucksache (BT-Drs. 20/5125) veröffentlicht.

 

Es ging dabei um die unbearbeiteten 100.000 Fälle, die im Oktober 2022 offenbart wurden, den Arbeitsrückständen bei der FIU, sowie generell deren Arbeitsweise.

 

IEbenfalls hier finden Sie unter den Fragen 11 und 16 die in der Antwort der Bundesregierung erwähnten Antworten zu den Fragen des Bundestagsabgeordneten Hauer zur FIU vom 09.12.2022 (BT-Drs. 20/4852).

 

Insgesamt geht aus den Antworten hervor, wie schlecht und überfordert die FIU aktuell und auch in den letzten Jahren gearbeitet hat. Dabei wird auch ersichtlich, wie langsam die FIU tatsächlich vorankommt.

 

 

Dabei zeigt die Antwort auch, dass die Menge an unbearbeiteten Meldungen größer ist, als allgemein gedacht. Die 100.000 Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommen nämlich noch die Fälle aus dem so genannten „Info-Pool“. Dort landen Fälle, welche die FIU als nicht relevant einstuft (vermutlich wie auch die ganzen unbearbeiteten „Wirecard-Verdachtsmeldungen“).

 

In diesem Pool liegen Fälle in der Regel drei Jahre, bevor sie gelöscht werden. Dieser Infopool ist von Januar 2020 bis 30. September 2022 auf 424.694 Meldungen angewachsen - zusätzlich mit den zugestandenen 100.000 Meldungen sind das über 500.000 nicht bearbeitete Vorgänge.

 

Die Nichtbearbeitung mag der Leitung der FIU zur Last gelegt werden, was ja folgerichtig auch zum Rücktritt des FIU-Leiters am 15.12.2022 geführt hat. Die Kritik an der Leitung war vollkommen berechtigt, weil jede Kritik mit falschen Zahlen gekontert wurde – vermutlich auch gegenüber den Prüfern der FATF – was letztlich auch zum Rücktritt „aus persönlichen Gründen“ geführt haben dürfte. 

 

Schuld ist sicher auch die unzureichende kriminalistische Ausbildung vieler Zollmitarbeiter. Ein Hauptgrund für eine schlechte Analysetätigkeit ist aber auch die unzureichende Möglichkeit auf Polizeidaten der Bundesländer. Hieran wird sich wohl auch nichts ändern, da Polizei (Zuständigkeit der Innenministerien) und Zoll (Zuständigkeit des  Finanzministeriums) vollkommen getrennte Behördenzweige sind. 

 

Sinnvoll wäre es von Anfang an gewesen, die FIU wie früher schon geschehen, dem Bundesministerium des Innern unterstellt, beim Bundeskriminalamt zu belassen und dort mit ausreichend Personal auszustatten. 

 

Vielleicht korrigiert man eines Tages diesen fatalen Fehler der Verlagerung auf die Seite des Bundesfinanzministeriums (BMF) zum 26.06.2017.  

 

Daher kann und sollte man aber nicht allein der FIU die Schuld für diese Rückstände geben. 

 

Ein großes Maß an Mitschuld haben auch der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 261 StGB, wie auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

 

Einerseits hatte der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 261 Strafgesetzbuch alle Straftaten mit dem so genannten „all-crimes-Ansatz“ unter Verdacht gestellt und damit auch für die eigentliche Geldwäsche eher weniger relevante Vorgänge. Dabei ist insbesondere die Teilnahme an einem illegalen Glücksspiel (§ 285 StGB) zu nennen. 

 

Dies führt zu einer Vielzahl von vollkommen sinnfreien Meldungen von an sich unbescholtenen Bürgern, die sich auf eine deutschsprachige Webseite mit Wett- oder Gewinnspielen haben leiten lassen, ohne zu wissen, dass sie mit der Teilnahme eine Straftat begehen können.  

 

Das andere Problem ist die Regelung der Unverzüglichkeit im Gesetz, aber auch die Handhabung dieser Regelung durch die BaFin. 

 

Diese verweist dabei in ihren Auslegungs- und Anwendungshinweisen vom Oktober 2021 auf die fatale (und inhaltlich sowieso fragwürdige) Entscheidung des OLG Frankfurt vom 10.04.2018 (2 Ss-Owi 1059/17), in der die Geldwäschebeauftragte einer Großbank wegen einer angeblich vorsätzlichen Begehensweise zu einer persönlichen Geldbuße vor allem wegen Nichtbeachtung der „Unverzüglichkeit“ verurteilt wurde.

 

Diese Entscheidung ist bis heute und wohl auch noch für längere Zeit das Damoklesschwert, unter dem alle Geldwäschebeauftragten leben müssen und in dieser Drucklage eher eine Meldung nach § 43 Abs. 1 GwG abgeben, als das früher der Fall war. 

 

Auch vor der Entscheidung des OLG Frankfurt gab es schon die Vorgabe der „Unverzüglichkeit“, aber Geldwäschebeauftragte hatten noch die Möglichkeit, sich näher mit dem Kunden und einer verdächtigen Transaktion zu befassen, als heute. Dabei konnten bei sehr vielen Fälle der erste Verdacht auf Geldwäsche „entschärft“ werden, sodass diese nicht gemeldet werden mussten.

 

Betrachtet man sich die Jahresberichte der „alten“ FIU bis 2016, so wird deutlich, dass seinerzeit nur in ca.11% der Fälle kein Restverdacht auf Geldwäsche gegeben war. (Jahresbericht der FIU für 2016, S. 12).

Heute dürfte die Zahl dieser Fälle ohne Restverdacht eher bei 70-80% liegen, was damit zu tun hat, dass eben überstürzt Meldungen durch Geldwäschebeauftragte aus der Angst vor einem persönlichen Bußgeld wegen einer „nicht unverzüglichen Abgabe“ abgegeben werden. 

 

Das kann und darf aber nicht Sinn und Zweck einer effektiven Geldwäschebekämpfung sein. 

 

Im Übrigen ist m.E. nur dann eine „Unverzüglichkeit“ geboten, wenn es sich um einen Fristfall handelt, einen Vorgang, in dem schnelles Handeln auch von Seiten der FIU und der Strafverfolgungsbehörden gefordert ist, weil die Transaktion noch nicht durchgeführt wurde. Das Gleiche gilt für Fälle, in denen ein Verdacht auf Terrorismusfinanzierung besteht.

 

Aus der Antwort der Bundesregierung vom 12.01.2023 geht auch hervor, dass diese Fälle (bis auf wenige Aufnahmen) priorisiert von der FIU bearbeitet werden.

 

Fälle, in denen hingegen die Transaktion bereits durchgeführt wurde, werden von Seiten der FIU nicht priorisiert behandelt. 

 

Es stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber auch hier nicht eine „unverzügliche“ Bearbeitung durch die FIU verlangt? 

 

Die Unverzüglichkeit einer Weitergabe einer Meldung ist für die FIU nur in § 32 Abs. 2 GwG nach einer Analyse vorgesehen, nicht aber in Bezug auf eine Bearbeitung einer Meldung.

Ist daher für die Weiterbearbeitung eines bereits erfolgten Verdachtsfalls bei der FIU keine Eile mehr geboten, stellt sich mir die Frage, weshalb dann die Verpflichteten gehetzt werden, möglichst schnell alles zu melden und dabei auf eine gründlichere Recherche verzichten müssen?

 

Warum hat der Gesetzgeber nicht auch § 43 Abs. 1 GwG so gestaltet, dass erst nach einer erfolgten Analyse eine unverzügliche Abgabe zu erfolgen hat?

 

Wäre es nicht auch im Sinn einer Entlastung der FIU sinnvoller, wenn man erst dann eine Unverzüglichkeit der Abgabe einer Verdachtsmeldung fordert, wenn der Verpflichtete den Vorgang ausreichend analysiert hat? 

 

Was spricht dagegen? Die Angst, es werden dann weniger Meldungen vorgenommen, weil nur noch die gut analysierten Fälle weitergegeben werden? 

 

Ja, es dürfte zu erheblich weniger Meldungen kommen. Jedoch würde es nicht nur die FIU entlasten, wenn nur noch gut recherchierte Meldungen bei ihr eingehen, aber auch die Verpflichteten selbst hätten mehr Zeit für eine bessere Analyse der bei ihnen auffällig gewordenen Geschäftsvorfälle und könnte sich auf wirklich relevante Fälle beschränken.

 

Da die Verpflichteten auch ständig durch interne wie externe Revisionen geprüft werden, dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass hier bewusst keine Fälle mehr gemeldet werden, gering sein, da spätestens bei der nächsten (Sonder-)Prüfung ein solches Verhalten auffallen, beanstandet und damit korrigiert werden würde. 

 

Es liegt m.E. vor allem an der BaFin, den Begriff der Unverzüglichkeit nicht am Bekanntwerden eines möglichen Verdachtsfalls beim Geldwäschebeauftragten „festzumachen“, sondern erst dann, wenn dessen Analyse (bzw. die seiner Mitarbeitenden) ergeben sollte, dass tatsächlich Tatsachen vorliegen, die einen Verdacht auf Geldwäsche rechtfertigen. 

 

Dazu müsste die BaFin allerdings ihre Auslegungs- und Anwendungshinweise vom Oktober 2021 ändern, indem sie den Verpflichteten einen weiteren Beurteilungsspielraum zugesteht als bislang. Aktuell bemisst sich der Maßstab eines meldepflichtigen Vorgangs daran, ob ein Sachverhalt vorliegt, der in den von der FIU veröffentlichten Typologien genannt wird.  

 

Mit einem erweiterten Beurteilungsspielraum würde die BaFin den gordischen Knoten zerschlagen, der derzeit die Verpflichteten wie auch die FIU in einen gegenseitigen und nicht mehr akzeptablen Rahmen zwingt, aber letztlich der Geldwäschebekämpfung in Deutschland nichts nützt, sondern nur schadet. Es gibt auch kein gutes Bild außerhalb Deutschlands ab, wenn zugegeben werden muss, dass ein Großteil der bei der FIU eingehenden Meldungen nicht bearbeitet wird oder werden kann.

 

Wenn Vorgänge bei den Verpflichteten vorab besser analysiert und nur dann abgegeben werden, wenn tatsächlich sich der Verdacht auf eine Geldwäschehandlung oder eine Terrorismusfinanzierung aufgrund von Tatsachen erhärtet, werden logischerweise deutlich weniger Meldungen abgegeben.

 

Typisches Beispiel sind die Meldungen wegen der Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel gem. § 285 StGB. Hier reicht ein Zahlungseingang von einem nicht lizensierten Anbieter, um heute eine Meldung nach § 43 Abs. 1 GwG auszulösen, mag der eingegangene Betrag auf dem Konto noch so gering sein. 

 

Dabei setzt aber § 285 StGB voraus, dass der Mitspieler (also der Kunde des Kreditinstituts) Kenntnis vom Fehlen der behördlichen Erlaubnis haben muss, um eine Strafbarkeit zu begründen. Hat der Kunde diese Kenntnis nicht, macht er sich mangels Vorsatz gerade nicht nach § 285 StGB strafbar. Um das herauszufinden, bedarf es natürlich einer Kontaktaufnahme bei dem Kunden, der diesen auf den kritischen Sachverhalt hinweist und dass es kein lizensierter Anbieter ist, mit dem er zu tun hat. (hier zur Übersichtsseite der Glücksspielbehörden). Hier würde es schon genügen, den Kunden auf diese Seite zu verweisen.
Damit ist noch kein Tipping-off im Sinn des § 47 GwG verbunden, weil man den Kunden nicht über eine angedachte Meldung informiert oder ihn über die Mittelherkunft befragt. Vielmehr würde ein Hinweis auf ein möglicherweise strafbares Verhalten eher eine Art Rechtshinweis sein, der erlaubt ist.

 

Stellt man nach der Kontaktaufnahme oder Information des Kunden fest, dass der Kunde weiterhin Gelder von einem nicht lizensierten Glücksspielanbieter erhält, kann immer noch eine Meldung gem. § 43 Abs. 1 GwG erfolgen. Es dürfte sich aber so verhalten, dass den meisten der Kunden gar nicht bewusst ist, dass sie an einem strafbaren Glücksspiel beteiligen. Nach einem entsprechenden Hinweis ihres Kreditinstituts dürfte sich das Thema „unerlaubtes Glücksspiel“ bei den meisten Kunden erledigen, ohne dass damit die tatsächliche Geldwäschebekämpfung darunter leiden würde. Ganz im Gegenteil.

 

Ein weiterer Gesichtspunkt ist § 3a GwG. Die FIU beruft sich bei ihrer Arbeitsweise seit 2 Jahren auf den so genannten „risikobasierten Ansatz“. 

 

Warum sollte dieser nicht auch von den Verpflichteten bei der Bearbeitung von Verdachtsfällen beachtet werden? 

 

Wortwörtlich heißt es in § 3a Abs. 1 GwG:

 

„Die Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nach den Anforderungen dieses Gesetzes folgt einem risikobasierten Ansatz.“

 

Ziel des Geldwäschegesetzes ist die Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

 

Geldwäsche kann nach § 261 Abs. 1 StGB nur vorliegen, wenn ein Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat stammt. Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist eine rechtswidrige Tat dann gegeben, wenn der Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklich wird.

 

Wie oben dargestellt, wissen Privatpersonen oft nicht, dass sie sich an einem unerlaubten Glücksspiel beteiligen, womit der Vorsatz und damit eine Strafbarkeit gem. § 285 StGB entfallen. 

 

Folglich ist mit einem Ertrag aus einem unerlaubten Glücksspiel nicht automatisch eine Strafbarkeit des Spielers verbunden. Daher kann es in diesen Fällen auch keine Geldwäschehandlung geben. 

 

Wenn ein Mitarbeiter eines Instituts nun feststellt, dass ein Kunde vor allem nur kleine Bagatellbeträge von einem Glücksspielanbieter erhält, kann er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass kein Geldwäschetatbestand vorliegt.  

 

Warum soll es der einen Seite (der FIU) erlaubt sein, Hunderttausende von Meldungen über Vorgänge, die in der Vergangenheit liegen, „risikobasiert“ nicht zu bearbeiten, gleichzeitig den Verpflichteten aber verwehrt sein, genau diesen risikobasierten Ansatz für ihre Analyse tatsächlicher Verdachtsfälle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anzuwenden?

 

In der Gesetzesbegründung wurde ausgeschlossen, dass § 3a Abs. 1 GwG eigens für die FIU eingefügt wurde (vgl. Bt-Drs. 19/28164, S. 43).

Dann muss aber die Frage erlaubt sein, für wen wurde dann § 3a Abs. 1 GwG geschaffen, wenn nicht für die Verpflichteten?

 

In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass "die spezielleren Regelungen des Geldwäschegesetzes, etwa zum Risikomanagement und den Sorgfaltspflichten der Verpflichteten in Abschnitten 2 und 3 oder die Regelungen zu den Aufgaben und Analysen der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen in Abschnitt 5, unberührt" bleiben.

Nicht erwähnt wird dabei Abschnitt 6 des Geldwäschegesetzes (§§ 43 ff. GwG), so dass hier nach § 3a GwG der risikobasierte Ansatz angewendet werden kann. Andernfalls liefe die Vorschrift des § 3a Abs. 1 GwG vollkommen ins Leere. 

 

Daher wäre nun die Gelegenheit gekommen, diesen Ansatz wirklich einmal praxisgerecht anzuwenden. 

 

 

Am besten wäre es, wenn auch die BaFin ihre Vorgaben zur Meldepflicht in ihren Auslegungs- und Anwendungshinweisen lockert. 

 

Es wäre wünschenswert, wenn sich die BaFin diesbezüglich umbesinnt, um sowohl der FIU als auch den Verpflichteten damit eine sinnvolle Erleichterung zu bieten.

 

Letzte Aktualisierung: 16.01.2023                                                                                   

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